Nokia Lumia 800 und Windows Phone 7.5

Das "Windows Phone 7"-Flagschiff aus dem Hause Nokia, das "Lumia 800" - zwei Wochen lang in meinem Besitz. Zwei Wochen durchgehender Erreichbarkeit und durchgehenden Internetzugriffs. Zwei Wochen voller Probleme und Problemlösungen. Zwei Wochen in denen ich sowohl meinen iPod, als auch mein Handy getrost Zuhause lassen konnte. Zwei Wochen die mich von "Windows Phone 7" überzeugt haben.

Von Nokia, einer finnischen Firma, deren Designer wohl das ganze Jahr außer Haus sind, habe ich noch nie viel erwartet. Von Windows sowieso nicht. Was soll man dann von einer Kooperation dieser beiden Firmen erwarten? Richtig - eher weniger. Aber es kam anders. Denn Microsoft hat in den letzten Jahren im letzten Jahr nicht geschlafen und "Windows Phone 7" und 7.5 "Mango", die Nachfolger des nicht ganz so erfolgreichen Betriebssystems "Windows Phone 6.5", veröffentlicht. Ein Betriebssystem, das von Grund auf neu überdacht und gestaltet worden ist. Aber dazu später mehr, denn in diesem Abschnitt soll es nun erstmal um das Gerät, das "Nokia Lumia 800" gehen.

Das erste, was mir nach dem "Unpacking" - ich spreche hier Fachsprache - , am "Lumia 800" aufgefallen ist, ist das wirklich elegante Design. Die Vorderseite fast vollkommen aus einem 3,7 Zoll AMOLED-Display (5) bestehend. Die Rückseite in einem matten Schwarz gehalten, das nur durch die zentrierte Kamera und den dazugehörigen Blitz unterbrochen wird. Das komplette Gerät hat einen Durchmesser von etwa 5 Zoll und liegt damit gut und angenehm in der Hand, was durch die abgerundeten Kanten, wie Marcel schon gut beschrieb, noch verstärkt wird. Deutlich besser als so manches Konkurrenzprodukt - ich gucke in deine Richtung, "Galaxy Note".

Die Lautstärketasten, so wie die Entriegelungstaste, befinden sich rechts oben an dem Gerät (1), was man aber auch erstmal wissen soll. Die Tasten wirken stabil und lassen sich gut drücken. Die Lautstärke lässt sich, wie gewohnt, auch im verriegelten Zustand verändern und rangiert auf einer Skala von 0 bis 30.

An der gleichen Seite etwas weiter unten befindet sich die Fokus- bzw. Auslösetaste der Kamera. Und damit wären wir auch schon beim Thema und einem deutlich interessanteren Bestandteil: Der Kamera. Angeblich soll diese 8 Megapixel haben, aber wie wir wissen sind Megapixel nicht alles. Viel entscheidender erscheint mir das Zoom- und Rauschverhalten von Kameras. Und das ist beim "Lumia 800", vor allem in dunklen Räumen nicht allzu berauschend. Zumindest den Vergleich gegen die 5 Megapixel-Kamera des "iPhone 4" verliert es deutlich. Und da natürlich kein optischer Zoom vorhanden ist, sehen rangezoomte Bilder auch nicht so umwerfend aus, was aber nicht die Schuld des Geräts ist.

Hier eine kleine Auswahl großer Fotos, die ich testweise geschossen habe:

Die Vorderseite des "Lumia 800"s wird natürlich, wie sollte es anders sein, von dem oben erwähnten, zukunftsweisenden AMOLED-Display (5) beansprucht. Denn ein AMOLED-Display unterscheidet sich in sofern von einem "normalen" Display, als dass es schwarze Stellen wirklich schwarz darstellt, ohne dass diese weiterhin von einer Hintergrundbelechtung beleuchtet werden. Das sieht gerade bei "Windows Phone 7" gut aus, da so - solange man die schwarze Hintergrundfarbe nutzt - ein schöner Übergangen zwischen Display und Nicht-Displays geschaffen werden kann.

Unterhalb des Displays befinden sich die drei markanten LED-Button (3): ein Pfeil, das "alte" Windows Zeichen und eine Lupe. Die genaue Funktion des "Windows"-Buttons und der Lupe sind relativ einfach zu erklären. Beim Berühren des ersten kommt man direkt auf den "Homescreen", beim Berühren des zweiten auf eine Such-Übersichtsseite (mehr dazu unten). Beim "Zurück"-Button ist das ein wenig komplizierter. Denn mit diesem lässt sich nicht nur eine App beenden, sondern auch innerhalb dieser zurückspringen. Und durch längeres drücken kommt man dann noch zum ... nennen wir es mal: "Multitasking". (Auch dazu mehr unten).

An der Unterseite des Geräts befindet sich ein zentrierter Lautsprecher (4). Dieser kam mir ein wenig lauter vor, als der des iPhones. Klanglich sollten beide aber in der gleichen Liga spielen - denn von Lautsprechern dieser Größe kann und sollte man wirklich kein "Dolby Digital Surround Sound" erwarten.

Die linke Seite ist komplett Tastenfrei, so dass man das Handy wunderbar in seiner linken Hand halten kann ohne ungewollt irgendwelche Einstellungen - oder was beim ungewollten Drücken einer Taste noch so passieren kann - zu verändern.

An der Oberseite des Geräts (6) befinden sich der Kopfhörereingang, eine Klappe, die die USB-Schnittstelle versteckt und ein rausnehmbares Fach für die SIM-Karte, dass sich nur rausnehmen lässt, wenn die Klappe geöffnet ist. Was bei mir aber mindestens einmal täglich der Fall war - pünktlich zum abendlichen Laden. Denn der Akku hält bei normaler Nutzung (Internet, Musik, Spiele, ...) etwa einen Tag.

Soviel dazu.

Windows Phone 7.5 "Mango"

Der wesentliche Teil meines Testens bestand aber nicht darin, das Gerät auszuprobieren, sondern das Betriebssystem. Eines Betriebssystems, das anders ist als iOS und alle anderen mir bekannten Handy-Betriebssysteme. Und das trotzdem sehr gut aussieht. Aber anders. Das liegt daran, dass Microsoft für "Windows Phone 7" das minimalistische, vorrangig textbasierte "Metro-Design" erschaffen hat.

Der Lockscreen besteht aus einem großen, frei wählbaren Hintergrundbild, auf welchem oben Mobilfunknetzverbindung und mobile Internetgeschwindigkeit, W-LAN-Status und Akkustand angezeigt werden. Dadrunter, etwa mittig, lässt sich dann noch Datum und Uhrzeit, sowie aktuelle Kalenderereignisse, verpasste Anrufe und Nachrichten und eingehende E-Mails ablesen. Entriegeln kann man das Gerät, in dem man den Lockscreen nach oben schiebt. Das erkennt man aber spätestens sobald man eine neue Benachrichtigung am oberen Bildschirmrand angezeigt bekommt, das Lockscreen-Hintergrundbild anfängt leicht nach oben zu hüpfen und man die Möglichkeit hat, direkt die benachrichtigende App, durch Hochstreichen des Lockscreens, zu öffnen.

Der Homescreen besteht aus frei anordbaren "Tiles" - dazu zählen auch "Live Tiles" - die im Format 1×1 oder 2×1 zur Verfügung stehen. Der Unterschied zwischen "Tiles" und "Live Tiles" ist der, das erstere nur aus einem statischen Bild bestehen, zweitere sich, wenn ich es richtig verstanden habe, halbstündig aktualisieren, was natürlich für einen schnellen Überblick über Veranstaltungen, verpasste Anrufe und Nachrichten und das Wetter unglaublich praktisch ist. Für jede App steht mindestens ein "Tile" zur Verfügung, über mache kann man auch mehr erzeugen. So kann man zum Beispiel einzelne Kontakte auf den "Homescreen" pinnen.

Über einen Pfeil oben rechts kommt man dann auf eine App-Übersichtsseite, auf der nochmal wirklich alle installierten Apps aufgereiht sind. Und über welche man beispielsweise auch auf die Einstellungen und den Marketplace, der ein essentieller Bestandteil des Betriebssystems ist, zugreifen kann. Denn über den "Marketplace" kann man nicht nur Apps downloaden und installieren, sondern auch neue Apps und Musik entdecken. Und wo wir grade beim Thema Apps sind, hier ein kurzer Überblick:

  • Kontakte: Die "Kontakte"-App verbindet das komplette "Social Media"-Erlebnis an einem Platz. So kann man jedem seiner synchronisierten Kontakte (automatisch) einen Facebook und einen Twitter Account zuweisen, über welchen man dann auch, wenn nicht vorhanden, ein Profilbild für den Kontakt bekommt. Außerdem lassen sich dadurch sowohl eine globale als auch Kontaktspezifische Neuigkeitenübersichten generieren.
  • Nachrichten: Die "Nachrichten"-App beinhaltet mehr, als nur senden und empfangen von SMS und MMS. Durch eine Verbindung zum Facebook-Chat kann man über diese nämlich auch einfach mit seinen Kontakten chatten. Und falls diese nicht online seien sollten immer noch auf SMS wechseln. Alle empfangenen und gesendeten Nachrichten werden, gegliedert in die einzelnen Kontakte, gesammelt angezeigt, so dass wirklich ein Gesprächsverlauf entsteht.
  • Anrufe: Die "Anrufe"-App hat jetzt nicht neues, unerwartetes. Es gibt die Möglichkeit eine Nummer einzugeben oder einen Kontakt aus dem Adressbuch zu wählen, um diesen anzurufen. Über verpasste oder vergangene Anrufe wird auf der Eingangsseite der App dann noch eine kurze Übersicht angezeigt. Falls ein Kontakt im gelockten Zustand anrufen sollte, erscheinen, wie vom iPhone gewohnt, Name und Bild großflächig auf dem Bildschirm und man hat die Möglichkeit den Anruf anzunehmen oder abzulehnen.
  • Bilder & Kamera: (Über die Hardware der Kamera des "Lumia 800" steht ja schon oben was geschrieben. Hier folgt nun der Softwareteil). Die Kamera-App ist das, was man von einer Kamera-App erwartet. Man kann fotografieren und filmen. Die geschossenen Bilder werden dann direkt in der "Bilder"-App gespeichert. Auch diese bietet nicht viel mehr, als eine Übersicht geschossener und gespeicherter Bilder. Aber sie macht sich sehr gut auf dem Homescreen, mit ihrem animierten "Tile".
  • Musik + Videos: Musik und Video sind bei "Windows Phone 7" in eine App zusammengefasst. Der dritte im Bund ist das UKW-Radio, dass anders als bei iPod Touch und iPhone, direkt integriert ist und den Kopfhörer als Antenne nutzt. Die Musik- und Videowiedergabe verläuft reibungslos, ohne dass man irgendein ruckeln oder harken hätte. Auch die Klangqualität ist ganz in Ordnung. Laufende Musik wird zusätzlich auf dem Lockscreen angezeigt oder, falls man das Gerät schon "entriegelt" hat, in einem grauen Block am oberen Bildschirmrand, der beim Ändern der Lautstärke erscheint.
  • Karten & Nokia Navigator: Von Haus aus bietet des "Lumia 800" drei verschiedene Karten-Apps. Die erste basiert auf Bing und braucht eine Internetanbindung. Die zweite, "Nokia Karten" basiert auf Nokias eigenem Kartenmaterial, dass man erstmal downloaden muss. Die dritte, "Nokia Navigator" ist ein komplettes Navigationssystem, welches auch auf Nokias Karten beruht und welches ein zusätzliches Navigationssystem soweit überflüssig macht.
  • Kalender: Die Kalender-App ist immer bestens synchronisiert und aktuell. Leider ist sie ziemlich unübersichtlich. Das einizig gute an dieser App ist ihr "Tile" auf dem Home- und ihr Hinweis auf dem Lockscreen. Zusätzlich zum Kalender integriert sie noch eine Aufgabenliste.
  • Internet Explorer: Ich mag den "Internet Explorer" nicht. Ich mochte ihn noch nie. Nicht auf Windows und jetzt genauso wenig auf "Windows Phone 7" - natürlich wird mein Blog falsche dargestellt. Leider gibt es keine Alternative zu diesem, so dass man diesen nutzen muss. Die App ist ziemlich schlichtgehalten und verschwendet keinen Platz für zum Beispiel einen "Lesezeichen hinzufügen" Button. Ihr erkennt den ironischen Unterton?
  • Spiele: Die Spiele-App ist eine Sammlung aller Spiele, die man sich aus dem Appstore Marketplace lädt und verbindet diese mit seinem XBox-Account (hab ich nicht). Über diesen werden Highscore-Listen gesteuert und Belohnungen freigeschaltet (glaub ich). Das funktioniert alles soweit auch ganz gut.

Natürlich gibt es nicht nur gute (oder weniger gute) Apps von Microsoft, sondern auch von Drittanbietern. Hier ein paar Apps, die mir besonders gut gefallen haben oder die ich häufiger benutzt habe:

  • Weather View: "Weather View" ist definitiv meine Lieblingsapp. Gefunden habe ich sie auf der Suche nach einer Wetterapp, die "Live Tiles" unterstützt. Und genau das tut sie. Sie zeigt durchgehend das aktuelle Wetter an, ohne dass man sie öffnen muss. Und aktualisiert sich von ganz alleine. Ein bisschen wie Magie.
  • Facebook: Über die Qualität der Facebook App lässt sich streiten. Obwohl ... eigentlich nicht. Vor dem Update war sie schlecht und unübersichtlich. Nach dem Update irgendwie anders. Aber "schlecht und übersichtlich" ist geblieben. Und trotzdem gehört sie zu meinen meistbenutzten Apps. Anfangs dachte ich man gewöhnt sich dran, später wollte ich nur noch kurz wissen, ob es was neues gibt und sie dann so schnell wie möglich wieder verlassen. Falls das hier jemand von Facebook liest: Bitte lasst nicht eure Praktikanten die "Windows Phone 7" erstellen und verwalten!
  • Twitter: Die Twitter-App für "Windows Phone 7" ist gar nicht mal so schlecht. Tweets lassen sich lesen und schreiben und auf @Replies lässt sich antwortem. Damit sind die wesentlichen Funktionen erfüllt. Und viel tiefer habe ich die Twitter-App auch nicht untersucht bzw. genutzt.

Was ich bedauerlicherweise nicht geschafft habe ist es Apps zu kaufen, da mir nicht klar war, wie ich Geld auf meinen Zune-Account - ihr erinnert euch? - bekomme. Eine andere Funktion die mir gefehlt hat, ist die Möglichkeit Dateien via Bluetooth zu übertragen. Aber die kann ja noch kommen.


Natürlich ist "Windows Phone 7" noch nicht perfekt. So funktioniert das Multitasking noch nicht ganz richtig - oder ich habe das "Microsoft Multitasking-Konzept" noch nicht verstanden. Und auch die "Bing"-Suche, die man über den Lupen-LED-Button erreicht ist noch nicht ganz perfekt. Das hat aber eher was mit der Qualität der Suchergebnisse von Bing generell zu tun. Auf der anderen Seite ist es durch sein futuristisches "Metro-Design" und die tiefe Integration von Netzwerken wie Twitter und Facebook anderen Betriebssystemen um Meilen voraus. Von daher würde ich sagen: "Gut gemacht Microsoft. Jetzt nur nicht wieder nachlassen". Aber die Addaption des Metro-Designs auf Windows spricht ja schon Bände und zeigt, dass sie das auch nicht vor haben.